Tango Argentino und der 8. März

Angelika Thiele und Giorgos Protopappas. Foto: Andreas Thiele

Der Internationale Frauentag am 8. März jeden Jahres stellt die Errungenschaften der Frauen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in den Mittelpunkt. Er weist auch auf die noch vorhandenen Ungleichheiten hin. Und was hat das mit Tango Argentino zu tun? Mehr als  sofort offensichtlich ist. Tatsächlich hat der Tango Argentino eine lange und wichtige Geschichte in Bezug auf die Emanzipation von Frauen.

Als Paartanz im späten 19. Jahrhundert in den Armenvierteln von Buenos Aires entstanden, war er anfangs sehr kontrovers. Er wurde als vulgär und unmoralisch angesehen. Frauen, die Tango tanzten, wurden oft stigmatisiert und als „leichte Mädchen“ abgestempelt.  Doch im Laufe der Zeit wurde der Tango Argentino zu einer Plattform für soziale und politische Veränderungen. Insbesondere in den 1930er Jahren wurde der Tango Argentino ein Symbol für die Emanzipation von Frauen in Argentinien. Frauen begannen, den Tango als eine Möglichkeit zu nutzen, um sich gegen die gesellschaftlichen Normen zu wehren und ihre Freiheit und Gleichberechtigung zu fordern.

Zu dieser Zeit war der Tango Argentino ein wichtiger Bestandteil der Arbeiterbewegung und der Gewerkschaften in Argentinien. Frauen spielten eine wichtige Rolle in diesen Bewegungen und nutzten den Tango als eine Möglichkeit, um ihre Stimmen zu erheben und ihre Forderungen zu artikulieren. Der Tango wurde zu einem Instrument des Protests und des Widerstands gegen die herrschenden gesellschaftlichen Normen.

Im Laufe der Jahre haben sich Frauen immer weiter in der Tango-Szene etabliert. Sie begannen, den Tango nicht nur als Plattform für politische Veränderungen zu nutzen, sondern auch als Ausdruck ihrer eigenen künstlerischen und kreativen Talente. Heute gibt es viele bekannte weibliche Tango-Tänzerinnen, die auf der ganzen Welt bekannt sind und den Tango als eine Kunstform, die Frauen und Männer gleichermaßen anspricht, etabliert haben. 

 

 

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Bild aus dem Musical "Madame Tango" mit Andrea Ghidone, https://www.deine-korrespondentin.de/wp-content/webp-express/webp-images/uploads/2020/04/Aufmacherbild-1.jpg.webp

Die Rolle der Frau im Tango fasziniert Ghidone besonders: „Eine Tangotänzerin ist nicht irgendeine Frau. Sie ist mutig und hat keine Angst vor dem Mann. Diese Haltung begeistert mich.“ Argentinische Feministinnen hinterfragen allerdings immer mehr die Strukturen des Tangos, die sie größtenteils als patriarchalisch empfinden. Diese Entwicklung zeichnet sich insbesondere seit 2015 ab, als die feministische Bewegung im Land sichtbarer und stärker wurde. So spiegelt der traditionelle Tango etablierte Geschlechterrollen wider: Der Mann fordert die Frau zum Tanzen auf und bekräftigt auf der Tanzfläche seine Kontrolle mit einer Abfolge von meist schnellen Bewegungen, die sinnlich oder unangenehm dominant sein können.

Quelle: https://www.deine-korrespondentin.de/madame-tango/

Die Frage der Gleichberechtigung im Tango Argentino ist ein komplexes Thema, das in den letzten Jahren zunehmend diskutiert wurde. Historisch gesehen wurde der Tango von Männern dominiert, die Frauen oft als bloße Begleiterinnen betrachteten. Frauen wurden oft auf passive und dekorative Rollen beschränkt und hatten wenig Einfluss auf den Tanzstil oder die Musikwahl.

Ein Blog von Melanie Haller stellt ein Buch von Kathy Davis vor.  Mehr dazu bei Melanie Haller: Tango Argentino als ästhetische Kultur – postkoloniale und gendertheoretische Fragen, : Melanie Haller: Tango Argentino als ästhetische Kultur – postkoloniale und gendertheoretische Fragen, in: blog interdisziplinäre geschlechterforschung, 28.07.2020, www.gender-blog.de/beitrag/tango-argentino-postkolonial-gendertheoretisch/, DOI: https://doi.org/10.17185/gender/20200728

Davis, Kathy (2020): Tango tanzen. Leidenschaftliche Begegnungen in einer globalisierten Welt. Springer VS Verlag, Wiesbaden.

Das Titelbild für diesen Beitrag ist nicht zufällig. Angelika und Giorgos stehen in ihrem Tangostil und Unterricht für eine Form des Tango-Argentino, die fluide Rollen von Führen und Folgen vermittelt. Dialog und Einladung sind dabei zentrale Elemente.  

Sabine Holl hat in ihrem Tango-Podcast gefragt: „Warum braucht der Tango starke Frauen, Angelika Thiele?“  https://www.youtube.com/watch?

Ein gesellschaftlicher Lichtblick, wenn wir die Strömungen und Entwicklungen im Tango Argentino als Spiegelbild der Gesellschaft lesen.